Die Peter-Kühne-Siedlung
Im Zweiten Weltkrieg entstand 1943/44 in der Brandenburger Vorstadt, am westlichen Stadtrand, südlich des Bahnhofs Wildpark, eine Behelfsheim-Siedlung für ausgebombte Berliner Eisenbahner. Über die Bau- und Nutzungsgeschichte der unkonventionellen Wohnsiedlung wird nachstehend berichtet.
Nach Fertigstellung der aus Berliner Trümmerziegeln gebauten Behelfsheimsiedlung wurde sie „Peter-Kühne-Siedlung“ genannt und als solche auf Stadtplänen, Messtischblättern und im Potsdamer Adressbuch ausgewiesen. Der Reichsbahndirektor Dr. Ing. Peter Kühne gilt als Namensgeber. Er setzte sich im Krieg aktiv für den Bau dieser Behelfssiedlung, bestehend aus 12 Doppelhäusern, für obdachlose Eisenbahner ein. Peter Kühne war im Reichsverkehrsministerium tätig und auch als Autor bekannt. Es gelang ihm, Arbeitskräfte und Material für den zivilen Wohnungsbau abzuzweigen, obwohl diese nur für wichtige Kriegszwecke zur Verfügung standen. Für den Standort der Behelfssiedlung wurde südlich des Bahnhofs Wildpark eine Freifläche von 1,5 Hektar beansprucht. Wahrscheinlich wurden nur durch eine Sondergenehmigung Bauland zur Verfügung gestellt und Bauunterlagen genehmigt. Bauakten zum Bau der Doppelhäuser mit Gartenland sind nicht auffindbar.
Verkehrsmäßig waren die Behelfsheime vom Werderschen Weg zu erreichen. Die kleinen Doppelhäuser wurden an dem Mittelweg in Reih und Glied angeordnet. Aus Gründen der Sparsamkeit wurden die Doppelhäuser ohne Keller gebaut. Bei Fliegeralarm mussten Luftschutzkeller in Häusern der Nachbarsiedlung genutzt werden. Jede Wohnung bestand nur aus zwei kleinen Zimmern, davon eine Wohnküche. Die gesamte Wohnfläche betrug 25 Quadratmeter. Aus Kostengründen blieben die Doppelhäuser unverputzt. Die erhöhten Satteldächer mit Ziegeldeckung verbesserten die Architektur der einheitlichen Behelfssiedlung. Alle Fenster hatten einheitliche Fensterläden. In erster Linie dienten sie zur Abdunkelung bei Luftangriffen. Zum Heizen wurden transportable Öfen genutzt. Eine Kellergrube im Haus diente als Kellerersatz. Alle Hauseingänge waren gartenseitig. Für den Elektroanschluss wurde eine Freileitung gebaut. Zur Wasserversorgung gab es am Mittelweg drei Handpumpen. Häusliches Abwasser wurde im Garten versickert. Zu jeder Wohnung gehörte ein Holzstall mit Trockenklosett. Besonders wertvoll war der 600 Quadratmeter große Garten, der zu jedem Haus gehörte. Er war lebenswichtig für die Bewohner, die dort Kartoffeln, Gemüse und Obst anbauten, und er ermöglichte auch eine Kleintierhaltung. Das Wohnen der ausgebombten Eisenbahner in den Behelfsheimen in dörflicher Siedlungsstruktur, am Stadtrand gelegen, war genügsam und naturverbunden.
Im Adressbuch von Groß-Potsdam von 1949 ist eine namentliche Aufstellung der Bewohner der Siedlung dokumentiert, insgesamt hatten 22 Eisenbahnerfamilien hier ihren Wohnsitz. Beruflich waren es Handwerker wie Schlosser, Schweißer, Tischler und auch Arbeiter und Rentner. Sie lebten unter dörflichen Bedingungen und in beengtem Wohnraum ohne jeglichen Komfort. Gemäß Ratsbeschluss der Stadtverwaltung Potsdam zogen 1984 die letzten Bewohner in größere Stadtwohnungen. Nach verordnetem Freizug endete der Zweck der Wohnsiedlung. Eine andere Nutzung oder der Abriss der abgewohnten Doppelhäuser standen zur Diskussion. Laut Ratsbeschluss wurde der Abriss der Doppelhäuser nicht freigegeben. Folglich entstand unter Mitwirkung des Kleingartenkreisvorstandes eine Kleingartensparte.
Am 6. September 1984 wurde auf dem Gelände der Peter-Kühne-Siedlung die Kleingartensparte „Lindengrund e.V.“ mit 52 Parzellen gegründet. Im Flächennutzungsplan der Stadt wurde das Gartengelände als „Erholungsgebiet mit kleingärtnerischer Nutzung“ eingetragen. Die Vereinsmitglieder übernahmen die abgewohnten Doppelhäuser, renovierten diese auf eigene Kosten und nutzten sie gemäß Satzung als massive Gartenlauben. Der Gartenvorstand ließ für die Gartenparzellen eine Trinkwasserleitung verlegen und den Elektroanschluss erneuern. Der Siedlungsweg wurde durch drei Laternen beleuchtet. Nur eine Handpumpe ist aus der Bauzeit erhalten. Alle Doppelhäuser erhielten einen Außenputz mit meist hellem Farbanstrich. Nur wenige Ziegeldächer und einfache Sprossenfenster sind aus der Bauzeit erhalten. Der frühere Holzzaun am Mittelweg ist gänzlich erneuert. Der Mittelweg in der historischen Siedlung ist unbefestigt und eine Sackgasse.
Die Behelfsheimsiedlung hat zwei unterschiedlich genutzte Zeitabschnitte: von 1943/44 bis 1984 war sie eine Wohnsiedlung und danach eine Kleingartensparte mit Laubennutzung. Vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege wurde der Antrag auf Denkmalschutz der Peter-Kühne-Siedlung abgelehnt und mitgeteilt, dass „die Bauten nicht die Kriterien des Denkmalschutzgesetzes erfüllen würden“. Dessen ungeachtet ist zu konstatieren, dass diese unter Kriegsbedingungen und aus Trümmersteinen gebaute Behelfswohnsiedlung insgesamt erhalten ist. Sie dokumentiert einfachste Bauweise eines typisierten Doppelhauses am Stadtrand. Als renovierte Laubensiedlung ist sie wichtiger Bestandteil der Grünzone und nachhaltig schützenswert.|Adolf Kaschube