Die Wasserharfe von Christian Roehl

Foto: Andreas Kellner

Kunst hat viele Seiten. Sie hilft der Elite, sich von der Masse abzuheben. Sie kann der Bildung breiter Bevölkerungsschichten dienen. Sie kann ein Objekt neben seinem Gebrauchswert mit Ästhetik aufladen. Und sie kann Identität stiften, indem sie einen Ort zu etwas Einmaligem macht oder die bereits vorhandenen Besonderheiten ins Licht rückt.

So war es in der DDR-Zeit auch in Potsdam. Allgegenwärtig waren derartige Wegmarken. In der Waldstadt II stand der „Waldschrat“, am Stern schwebte ein Menschenpaar am Wandbild über den Kosmos. Und westlich neben der Nikolaikirche im Stadtteil Zentrum-Süd stand die Wasserharfe von Christian Roehl. Etwas abseits der großen Springbrunnenanlage auf dem vergrößerten Alten Markt bildete dieses Wasserspiel den Eingang zu einem intimeren Stadtbereich, der in den Staudenhof führte.

Die Wasserharfe war mehr als ein Springbrunnen. An einem Stahlbogen und seinen senkrechten Streben (den „Saiten“ der Harfe) waren stilisierte Orgelpfeifen befestigt, welche auf die benachbarte Kirche verwiesen, statt Musik aber mit Wasserspiel erfreuten. Eine gelbe Klinkermauer auf der Rückseite des auf diese Weise dreiseitig geschlossenen Platzes grenzte diesen nicht nur von der Wirtschaftszufahrt benachbarter Geschäfte ab, sondern leitete farblich zum Gebäude des Instituts für Lehrerbildung über.

Als schon die Linden neben der Kirche gefallen waren, jedoch noch vor dem Ende des zuletzt von der Potsdamer Fachhochschule genutzten Institutsgebäudes, versiegte der Brunnen. Sein Becken wurde mit Schilfgras bepflanzt, später dann die Brunnenanlage zugunsten einer die steile Treppe überwindenden langen Rampe vom Alten Markt in den Staudenhof abgeräumt. Das hätte es gewesen sein können. Denn häufig schon wurde in Potsdam DDR-Kunst achtlos entfernt. Selbst der Gedanke, wie viel allein die materielle Wiederbeschaffung von Objekten kosten könnte, die man so leichtherzig aus seinem Besitz abgibt, kommt den Verantwortlichen offenbar zu selten.

Umso mehr überrascht es dann, den Stahlbogen der Wasserharfe an der Havel hinter dem Schillerplatz wiederzufinden. Fort das Wasserspiel aus Orgelpfeifen, auch die gelben Klinker sind dahin. Der Bogen Roehls offenbart sich aber weiterhin als elegante und zeitlose Arbeit, wenngleich er nur noch ein Bruchstück des Gesamtkunstwerkes ist, der völlig aus seinem innerstädtischen Kontext gerissen wurde. Ähnlich sensibel wäre es wohl, wenn man von „Familie Grün“ nur noch das Kind aufstellt – und zwar im Eingang des Finanzamtes. Gerade das spricht jedoch für Christian Roehl als Schöpfer der Wasserharfe. Seine Arbeit besitzt auch als Bruchstück und in einem völlig anderen Kontext weiterhin noch Ausstrahlung. Nicht mehr annähernd das, als was es erdacht war. Aber definitiv mit Charme. | Andreas Kellner

Foto: Andreas Kellner

Wer sich für Kunst im öffentlichen Raum interessiert, findet unter www.potsdam.de/kunst-im-oeffentlichen-raum viele Informationen. Unter anderem hat die Landeshauptstadt Potsdam mehrere Broschüren zum Thema veröffentlicht.

Written by BV