Der Küchengarten auf dem Balkon

Möhrenblüten, Foto: Andreas Kellner

Es ist eine alte Weisheit, dass Blumen viel über den Charakter ihres Besitzers aussagen. Da gäbe es zum Beispiel diejenigen, welche dem wilden pflanzlichen Wachstum keinen Einhalt gebieten, sondern dem ungestümen Drängen sogar noch Wege bahnen. Da sind die Menschen, die mit pflegeleichten Kunstblumen die Illusion von Beständigkeit erzeugen wollen. Und es gibt auch solche, die durch ihre Schottergärten sich in gänzlich unfruchtbare Mondlandschaften sehnen. Dazwischen befinden sich etliche Zwischenstufen. Eine interessante Entwicklung im Stadtteil ist dabei die Wiederbelebung des Küchengartens im Kleinen.

Hatte sich bisher die Regel durchgesetzt, was besonders schön blüht, ist meistens giftig, und was oft ungefragt wächst, ist zwar nützlich, aber nicht preisverdächtig schön, wird nun Gemüse, Kohl und Kräutern wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Schnell lassen sich so abseits der preußischen Ordnung kleine Oasen entwickeln. Als Grundzutat bietet sich besonders die Mohrrübe an, deren Kopf mit Blättern sowieso fast niemand essen möchte. Statt der Biotonne können diese Spitzen in der Erde noch sehr hoch wachsen und üppige Blüten ausbilden. Ähnliches gilt für alle Kohlsorten, deren ungenießbarer Strunk bei ausreichend Sonne und Wasser reichlich blüht. Auch mit Radieschen im Blumentopf kann man sich und den Bienen eine schöne Freude machen. Als Ranken dienen Tomaten. Und wer eher Pflanzen mag, die sich die Balkonbrüstung herabwinden, ist mit dem Setzen von angekeimten Kartoffelschalen bestens bedient. Natürlich ist auch eine Kombination verschiedenster Pflanzen im selben Topf machbar, beispielsweise hochwachsender Weißkohl und herabhängende Kartoffelpflanzen.

Wer es besonders gut meint, entleert in den Blumentöpfen dann noch seine Kaffeefilter, Teebeutel und Ähnliches. Jeder Blumentopf ist ein kleines Biotop. Unterschiedliche Pflanzenarten können ihr Wachstum gegenseitig befördern oder behindern, ebenso der Einsatz von Kompost und gebrauchtem Wasser (beispielsweise aus der Badewanne). Aus diesem Grund lohnt es, beim Bepflanzen mit „Abfällen“ aus der Küche durchaus großzügig zu sein und ergebnisoffen zu bleiben. Wer es drauf ankommen lässt, kann mit einer Handvoll Suppengrün jedenfalls mehr erreichen als mit Blumen aus dem Baumarkt. Die ersten Schritte im Stadtteil sind gemacht. | Andreas Kellner

Written by BV